Was ist Gicht?


Gicht ist eine Krankheit, die entstehen kann, wenn sich im Blut zu viel Harnsäure ansammelt. Diese lässt sich als überhöhter Harnsäurewert bei einer Laboruntersuchung des Bluts nachweisen. Der Arzt spricht dann von Hyperurikämie.
Harnsäure kommt im Blut jedes Menschen vor. Sie entsteht als End­produkt des Abbaus von Purinen. Purine entstehen einerseits als natürliches Produkt des Zellstoffwechsels, andererseits werden sie mit der Nahrung aufgenommen.

Jeder Mensch braucht Purine
Für seine äußerst komplexen und vielfältigen Aufgaben benötigt der menschliche Körper die verschiedensten Stoffe. Diejenigen, die ihm nicht direkt mit der Nahrung zugeführt werden, müssen vom Körper selbst hergestellt werden. Zur Synthese dieser Stoffe benötigen wir zu­sätzliche Bestandteile aus der Nahrung.
Zu diesen lebenswichtigen Bausteinen gehören auch die Purine. Es handelt sich hierbei um organische Stickstoffverbindungen. Purine sind zentrale Bestandteile der Aminosäuren, aus denen die Erbinfor­mation (Desoxyribonukleinsäure) einer jeden Körperzelle aufgebaut ist. Die DNA wiederum steuert je nach Aufgabe einer Zelle deren Akti­vität bei der Energiegewinnung oder in Stoffwechselprozessen und ist für die Zellvermehrung im Organismus unerlässlich.

Auf das Gleichgewicht kommt es an
Her Körper stellt ständig Purine her und benutzt dazu in großem Maße Bausteine, die schon beim Abbau angefallen sind. Für die verschiede­nen Stufen des Abbaus von Purinen sorgen Enzyme (früher Fermente genannt). Eines der dabei entstehenden Abbauprodukte ist die Harnsäure. Sie wird dann mit dem Blut zu den Nieren transportiert und von dort teils über den Harn ausgeschieden, teils rückresorbiert und erneut in den Purinstoffwechsel eingeschleust.

Keine Gicht bei Tieren
Im Gegensatz zum Menschen können die meisten Tiere mit Hilfe eines weiteren Enzyms die Harnsäure in ungefährliche Produkte abbauen. In Experimenten wurde immer wieder versucht, das verloren gegange­ne Enzym zu isolieren und in die Blutbahn zu spritzen, um so den Harnsäurespiegel zu senken. Leider reagiert der Körper auf die Injek­tion dieses körperfremden Enzyms mit allergischen Reaktionen, was eine wiederholte Anwendung ausschließt.

Harnsäurewerte kontrollieren
Der normale Harnsäurespiegel im Blut beträgt bis zu 5,5 Milligramm pro 100 Milliliter bei Frauen bzw. bis zu 6,5 Milligramm bei Männern. Die Neubildung der Harnsäure im Körper und ihre Ausscheidung über die Nieren stehen beim Gesunden in einem Gleichgewicht. Von Hyperurikämie spricht man erst dann, wenn der Harnsäurewert im Blutserum 6,5 Milligramm pro 100 Milliliter überschreitet. Für die Diagnose »Gicht« reicht dies jedoch noch nicht aus. Nur bei etwa je­dem zehnten Hyperurikämiker kommt es auch tatsächlich zur manifes­ten Gicht.

Gefährliche Kristalle
Harnsäure ist schlecht wasserlöslich und kann Kristalle bilden. Diese Kristalle bestehen aus den Salzen der Harnsäure und werden Urate ge­nannt. Das Blut kann nur eine bestimmte Menge von Harnsäure trans­portieren. Je höher die Konzentration an Harnsäure ist, desto wahr­scheinlicher ist es, dass sich an einer oder gar mehreren Stellen des Körpers Uratkristalle ablagern. Diese Ablagerungen führen dann zu den gefürchteten Gichtanfällen.

Gefährdete Gewebe
Besonders häufig betroffen sind solche Stellen, an denen Gewebearten mit einem langsamen Stoffwechsel anzutreffen sind. Hierzu gehört der gesamte passive Bewegungsapparat, der aus Knochen, Sehnen, Bän­dern, Knorpel und Gelenkkapseln besteht. In ca. 50 Prozent aller Fälle ist das Grundgelenk der großen Zehe die erste Stelle, die befallen wird. Der Mediziner spricht dann von Podagra.
Darüber hinaus erfolgt die Kristallisation schneller, wenn die Tempera­tur an einer Stelle unter der normalen Körpertemperatur liegt. Deshalb ist auch der Ohrknorpel eine bevorzugte Stelle für die Ablagerung von Uratkristallen. Die Kristalle rufen beim Menschen akute Entzündungs­reaktionen hervor, denn sie werden von der körpereigenen Abwehr als unnatürlich erkannt und daher bekämpft. An den Ablagerungsstellen kommt es zu Rötungen, Schwellungen, Einschränkungen der Gelenk­funktion und zu starken Schmerzen.
Auffällig ist, dass die Gelenke der unteren Extremitäten, also der Beine und Füße, zehnmal so häufig von den Auswirkungen der Gicht betrof­fen sind wie die Gelenke der oberen Extremitäten (Arme, Hände). Es wird angenommen, dass dies auch eine Folge der stärkeren mechani­schen Beanspruchung der Fußgelenke ist.
Folgende Gelenke sind besonders anfällig (Reihenfolge nach abneh­mender Häufigkeit): das Großzehengrundgelenk, das Sprung- und Fußwurzelgelenk, das Kniegelenk, die Finger- und Handgelenke, das Schultergelenk sowie die Wirbelsäule und das Hüftgelenk.
 Frauen erkranken wesent­lich seltener an Gicht als Männer. Das liegt u. a. daran, dass die Östrogene die Ausscheidung der Harnsäure über die Nieren erhöhen. Das gilt jedoch nur bis zu den Wechsel­jahren. Reduziert der Körper die Produktion dieser Hormone, steigt auch für Frauen die Gefahr, an Gicht zu erkranken.

Der erste Gichtanfall
Ein Mann schreckt plötzlich mit Schmerzen aus dem Schlaf. Verwirrt schaut er auf seinen Wecker auf dem Nachttisch. Es ist erst drei Uhr morgens, und eigentlich müsste er prima schlafen. Vor ein paar Stun­den ist er 40 Jahre alt geworden, und das hat er mit all seinen Freun­den und der ganzen Familie gebührend gefeiert. Schon seit mehreren Tagen waren die Vorbereitungen für das exzellente Essen gelaufen. Der Gänsebraten war der Höhepunkt des Abends, und auch der schotti­sche Räucherlachs mit Reibeküchlein wurde von den Gästen sehr ge­lobt. Alle ließen sich seinen besten Rotwein prächtig schmecken, und zu Mitternacht wurde mit Champagner angestoßen. Ein gelungenes Fest! Warum nur tut plötzlich seine rechte große Zehe so weh? Er über­legt, ob er sich vielleicht irgendwo gestoßen hat, und versucht wieder einzuschlafen. Dies will aber nicht so recht gelingen, denn die Schmerzen werden stärker, breiten sich im ganzen Fuß aus, und bald beginnt er auch zu frösteln.
Schließlich kann der Mann sogar das Gewicht der Bettdecke auf sei­nem Fuß nicht mehr ertragen. Er beschließt, seine Frau zu wecken, die dann zum Telefon eilt, um den Hausarzt zu rufen. Glücklicherweise ist der schnell zur Stelle. Ein Blick auf den schmerzenden Fuß und die Er­zählung von der Geburtstagsfeier bringen schnell den Verdacht: Dieser Patient hat seinen ersten Gichtanfall.
So oder ähnlich könnte die Geschichte eines Gichtpatienten begin­nen. Aber auch die Gicht ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern.

Häufigkeit von Gicht
Bei den heutigen Ernährungsgewohnheiten kann man davon ausge­hen, dass ein bis zwei Prozent der Erwachsenen früher oder später an Gicht erkranken. Männer sind hiervon sehr viel häufiger betroffen als Frauen. Ihr Risiko zu erkranken ist drei- bis siebenmal höher als das von Frauen. Der erste Gichtanfall tritt bei den betroffenen Männern in der Regel zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf, bei den Frauen zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.